Dienstag, 12. Juni 2012

«Atomausstieg ist möglich»

Am Dienstag präsentierte der Verband der Schweizer Elektrizitätsunternehmen (VSE) drei Wege in eine AKW-freie Stromzukunft bis 2050. Das ist sehr erfreulich und zeigt, dass die Schweizer Strom-Versorgungssicherheit auch ohne das Risiko der AKW gewährleistet werden kann, schreibt dazu die Schweizerische Energiestiftung (SES).

Leider schüre der VSE völlig unnötige Ängste mit hohen Kosten und vergisst: «Die Stromzukunft kostet so oder so. Die Frage ist lediglich, ob wir in eine veraltete Hochrisikotechnologie investieren, oder in erneuerbare Energien und Effizienz», sagt Jürg Buri, Geschäftsleiter der SES. Gerne geht beim VSE vergessen, dass auch neue Atomkraftwerke samt Backend- und Haftpflicht-Kosten die Schweizer Volkswirtschaft teuer zu stehen kommen würden. Der Weg über erneuerbare Energien schafft indessen statt milliardenteurer Atommüllberge einen Mehrwert: «Die Schweiz bekommt so mehr fürs Geld: Energieunabhängikeit, echte Versorgungssicherheit und einheimische Arbeitsplätze», so Buri.

Mittelfristig ein Bild der Vergangenheit? Selbst die Stromunternehmen fassen nun die Folgen eines Ausstiegs aus der Atomkraft ins Auge - wenn auch mit einer anderen Beurteilung der Konsequenzen. (Bild: AKW Gösgen - Guntram Rehsche)





 
Der VSE hatte seit letztem Sommer eine ganze Reihe von Studien in Angriff genommen. Die nun  veröffentlichte Gesamtbetrachtung “Wege in die neue Stromzukunft” haben 50 Spezialisten aus der Branche erarbeitet. Dabei ging es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Konsequenzen eine Stromversorgung ohne Ersatz der heutigen Kernkraftwerke realisiert werden kann. Die Experten haben die Frage aus Sicht des VSE anhand von drei konsistenten Szenarien beantwortet, die sich jeweils hinsichtlich politischer Weichenstellung und gesellschaftlicher Akzeptanz unterscheiden.

Szenario 1 geht zwar von verstärkten Vorschriften für Stromeffizienz und Förderung erneuerbarer Energien aus, rechnet aber mit einem weiter steigenden Strombedarf. Die Folge: Ein Viertel der Energie muss weiterhin importiert werden und der Ausstieg aus der Kernkraft geht nur mit 7-8 Gaskombikraftwerken sowie wo sinnvoll WKK. Zudem steigen die Gesamtkosten für Stromerzeugung und Netze bis 2050 gegenüber heute auf 118 Milliarden Franken, was einer Kostensteigerung von ca. 30 Prozent entspricht.

Szenario 2 geht von einem stärkeren Willen zum Energiesparen aus, inklusive starker Lenkung über hohe Verbrauchssteuern. Bis 2050 würden 70 Prozent der Energie aus erneuerbaren Formen entstehen, zum Beispiel mit knapp 1000 Windkraftwerken, 8 Wasserkraftwerken der Grösse des Kraftwerks Rheinfelden und 7000 Photovoltaik-Anlagen in der Grösse der Anlage auf dem Stade de Suisse. Trotzdem würden 4-5 Gaskombikraftwerke und wo sinnvoll WKK notwendig sein. Und das ganze Investitionspaket würde die Kosten um 45 Prozent auf 135 Milliarden Franken steigen lassen.

Szenario 3 ist der radikalste Umbau. Der Stromverbrauch geht unter anderem dank starker Lenkungsabgaben um 7 Prozent zurück. Es wird massiv in erneuerbare Energien investiert, zum Beispiel mit 1250 Windkraftwerken, 10 Wasserkraftwerken der Grösse des Kraftwerks Rheinfelden und Photovoltaik-Anlagen, die 11’500 Mal derjenigen auf dem Stade de Suisse entsprechen. Die Gesamtkosten steigen um 75 Prozent auf 150 Milliarden Franken. Dafür braucht dieses Szenario keine Gaskombikraftwerke und importiert wird ausschliesslich Strom aus erneuerbarer Energie.

Der VSE will mit der Studie Grundlagen liefern und seine Forderung untermauern, dass die Massnahmen zur Gestaltung der künftigen Stromversorgung nur anhand verschiedener Szenarien beurteilt werden können. Er will für die Diskussionen Transparenz schaffen. Die praktische Umsetzung eines jeden der drei Szenarien wird tiefe Einschnitte in das Alltagsleben der Schweiz bringen und es wird je nach Ausprägung zu Zielkonflikten kommen, die sichtbar gemacht werden müssen. Diese müssen von Gesellschaft und Politik entschieden und getragen werden.

Quellen: SES / SDA

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