Freitag, 14. April 2017

Ist die Energiewende unsozial? WoZ treibt es mit der SVP

«Sozial ist diese Wende nicht» verunsichert WoZ-Redaktionsleiterin Susan Boos in der neuesten Ausgabe der Wochenzeitung die Leserschaft in ihrer Haltung zur Energieabstimmung. Mit vielen Zahlen wird da versucht die These zu untermauern, doch das endet als Schlag ins Wasser – und als unfreiwilliger Sukkurs für die einzige namhafte Gegnerin der Energiestrategie, die SVP.

Landeten am gleichen Tag in den Schweizer
Briefkästen: SVP-Abstimmungspropaganda
und neueste WoZ mit Wendekritik
(Bild: Guntram Rehsche)
Verwundert rieb sich am Gründonnerstag wohl so manche(r) die Augen, als er oder sie einerseits die neueste WoZ und andererseits gleichzeitig die Propagandazeitung  der Schweizerischen Volkspartei zur Energieabstimmung vom 21. Mai aus dem Briefkasten fischte. Worauf letztere zielt, ist aufgrund der nun schon lange rollenden PR-Maschinerie der SVP schnell einmal klar. «3200.- Franken mehr bezahlen... und erst noch kalt duschen?» titelt das Machwerk, das wie üblich bei dieser Partei in der Schublade Fake News abzulegen ist. Weitere Schlagzeilen wie «Zurück in die Steinzeit», «Attacke auf den Mittelstand», «Deutsche Energiewende ist ein Desaster» erübrigen die vertiefte Lektüre – da haben Ewig-Gestrige, Verblendete, Technologie-Aphobe gemeinsam ihr Süppchen gekocht. Unbefleckt von der Einsicht, dass erstens in der Schweiz auch ein grosser Teil der Wirtschaft die Vorlage zur Energiestrategie 2050 befürwortet – und dass zweitens (ein Blick über die Grenze schadet bekanntlich nicht immer) weltweit die Erneuerbaren Energien ihren Siegeszug längst angetreten haben und die Schweiz droht, ins Abseits zu geraten.
So weit so gut – doch nach der kurzen Lektüre des Abstimmungspamphlets kommt dann bei der Sichtung der Wochenzeitung der eigentliche Schlag in die Magengrube. Redaktionsleiterin Susan Boos stellt da folgende Rechnung an (WoZ vom 13.April 2017 «Sozial ist diese Wende nicht»): Erstens erhöhe sich mit Annahme der Energiestrategie der CO2-Zuschlag auf Heizöl um 150 Millionen Franken – und zweitens nehme die Stromabgabe mit dem um 0,8 Rappen pro Kilowattstunde erhöhten Aufschlag um 450 Millionen zu. Und diese erhöhten Beiträge würden auf dem Buckel der MieterInnen und allgemein der ärmeren Bevölkerungsschicht erhoben – mithin sei die Energiewende unsozial. Doch hält diese Feststellung einer genaueren Untersuchung stand? Das Fazit vorweg: Nein, die Energiewende nach Schweizer Art ist keinesfalls unsozial. Richtig schreibt Boos zwar, der erhöhte Stromzuschlag komme der Wirkung der Mehrwertsteuer gleich. Doch genausowenig, wie Mehrwertsteuerprozente für die AHV unsozial sind, ist es eben ein Stromzuschlag, der langfristig zu einer Energiewelt ohne fossile Brennstoffe und verbesserter Umwelt führt – und der gerade auch ärmeren Bevölkerungsschichten zugute kommt. Das lässt sich nur schwer in Zahlen quantifizieren – aber es war doch schon immer so, dass ärmere Menschen schlechteren Umweltbedingungen weniger ausweichen können als reichere – die sich etwa Wohnorte mit geringeren Schadstoffemissionen leisten können.

Vollends daneben ist die Feststellung einer unsozialen Wirkung mit Bezug auf die Subventionen für bessere Energiemassnahmen beim Gebäudebestand. Denn erstens sind MieterInnen in der Schweiz bei einem Mieteranteil von insgesamt rund 60 Prozent in vielen Fällen GenossenschaftsmieterInnen (vor allem die einkommensschwächeren – fünf bis zehn Prozent aller Wohnungen), zweitens gibt es schweizweit durchaus geringverdienende HausbesitzerInnen und wie schon oben gilt wieder das Argument, dass von Umweltverbesserungen die sozial schwächeren durchaus profitieren.

Der WoZ-Artikel erweckt den Eindruck, da werden mit der Energiestrategie 2050 jährlich 600 Millionen Franken nach oben umverteilt. Bei genauerer Betrachtung dürfte dieser Betrag viel geringer sein –die unsoziale Wirkung kaum bestehen. Gilt schliesslich noch, dass neben der Schützenhilfe für die SVP eine wirksame Sozialpolitik doch bitte bei den bedeutenden sozialen Instrumenten eingefordert wird, also in erster Linie in der Sozial- und Krankenversicherung. Eine, was auch der WoZ-Artikel zugesteht, sinnvolle Umweltpolitik (wegen kaum vorhandener sozialer Misswirkungen) aber abzulehnen, ist in der aktuellen politischen Situation nichts als fehlgeleitete Propaganda respektive unerfreuliche Schützenhilfe für die SVP – da mag das zeitgleiche Erscheinen unerwünschter Zufall sein.

© Text und Bilder:  Solarmedia

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